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Lackmustest für männliche Millennials

Robert Franken, Autor; Foto: Regina Mehler

“Was sagst Du zum Fall Weinstein?” bin ich mehrmals gefragt worden. Meine Antwort: Nichts. Beziehungsweise: nichts mehr. Ich habe meine Wörter, meine Ausrufe, meine Empörung aufgebraucht. Es sind schlicht zu viele “Fälle Weinstein”.

Aber in jeder Krise steckt ja bekanntlich auch etwas Brauchbares, was unter anderem einem Lernprozess förderlich sein kann. In diesem Fall liefert diese unglaubliche Geschichte eine Art Lackmustest für Millennials: Sehen die Männer, die nach 1980 geboren und mit anderen Gender-Bildern aufgewachsen sind, diese Enthüllungen auch als eine Art Kavaliersdelikt, oder sind sie ebenfalls schockiert und angeekelt?

Viel, sehr viel ist bereits geschrieben worden zu den Enthüllungen über den amerikanischen Filmproduzenten: Berichte, Artikel, Stellungnahmen, Kommentare und immer wieder weitere Enthüllungen – es scheint, dass keine Branche und keine Berufsgattung ungeschoren bleibt. Längst ist das Thema auch seinem Ursprungsland entwachsen und gewinnt täglich an grenzüberschreitender Aktualität.

Etwas vom Besten, was ich dazu gelesen habe, ist ein Artikel, geschrieben von Robert Franken, der sich nicht scheut, neben den Fakten auch eine starke persönliche Stellungnahme abzugeben.

#MeToo und das Schweigen der Männer

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Ergänzend dazu empfehle ich einen Beitrag aus der «Süddeutschen Zeitung», in dem Redaktionsmitglied Christian Mayer sich über die neue Männlichkeit freut und mit „schwachsinnigen Idealen“ aufräumt.

Die neue Männlichkeit

Endlich können Männer Verantwortung teilen und müssen nicht mehr ständig den Starken markieren. Räumen wir mit schwachsinnigen Idealen auf.


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Ein neuer Gesichtspunkt: Macht und Sozialkompetenz

Natürlich sind wir uns einig: Es gibt sie nicht – DIE Männer oder DIE Frauen, die Verallgemeinerung also, die uns so leicht über die Lippen kommt, bei der uns gewöhnlich aber auch sofort die Ausnahmen in den Sinn kommen.

Dennoch sind gewisse Eigenschaften eher oder vermehrt Männern zuzuschreiben, und andere werden eher oder vermehrt als weiblich definiert: Beim Begriff «Macht» kommen einem Diktatoren, Populisten, Monopolisten oder Grossverdiener in den Sinn, hingegen wird der Begriff «Sozialkompetenz» wohl öfter mit Frauen assoziiert.

Interessant in diesem Zusammenhang die Frage eines Journalisten der «NZZ am Sonntag»: „Warum haben Männer die Macht?“  Redaktionsleiter Andreas Kunz hat für seinen Artikel den Titel gewählt «Die unerklärliche Macht der Männer», was ihm sicher viele Leserinnen gebracht hat. Aber sie sowie mancher Leser werden sich gefragt haben, was es mit dem Untertitel auf sich hat «Was den Menschen von den Elefanten unterscheidet“. Dabei beruft er sich auf Yuval Noah Harari , der sehr, sehr viel, aber nicht alles zu wissen scheint, denn er ist es, der in seinem Buch «Eine kurze Geschichte der Menschheit» die Frage nach dem Grund für diese Machtverteilung stellt.

Und er kommt zu einer Vermutung, die Stoff für unendliche Diskussionen bieten wird:

„Warum suchten Frauen Unterstützung nicht bei anderen Frauen? fragt er. Im Tierreich würden sich die weiblichen Bonobos oder Elefanten zu Matriarchaten zusammenschliessen, die kooperative Gruppe beherrsche dort die unkooperative – bei den Menschen sei es allerdings genau umgekehrt. Harari fällt für sein Problem nur eine Lösung ein, die er in Zeiten der geschlechterpolitischen Korrektheit allein als ­Frage zu stellen traut: Könnte es sein, dass sich die Männer gerade nicht durch überlegene Körperkraft, Aggressivität und Konkurrenzfähigkeit auszeichnen, sondern durch überlegene Sozialkompetenz und grössere Kooperationsbereitschaft?“

Na denn! Sie können jede langweilige Party aufmischen, indem Sie dieses Thema antippen. Viel Vergnügen bei einer alten Diskussion aus einem neuen Blickwinkel!


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