Die Gedanken sind frei – Warum Verantwortung genau dort anfängt!
«Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten…» So beginnt ein sehr altes Volkslied aus dem 19. Jahrhundert, welches in der Geschichte immer wieder zu einem politischen Lied wurde. Ein Lied gegen politische Unterdrückung und als Ausdruck für die Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit. Angeblich hat Sophie Scholl dieses Lied an den Gefängnismauern auf einer Blockflöte gespielt, als ihr Vater im Jahr 1942 wegen hitlerkritischer Äusserungen inhaftiert wurde.
Heute leben wir hier in der Schweiz sicher in keiner Unterdrückung. Dennoch lohnt es sich der Bedeutung dieses Satzes ein wenig «Gedankenraum» zu geben, denn ich glaube, wir leben in Zeiten, in denen wir uns dem Thema «Unabhängigkeit» widmen sollten.
«Die Gedanken sind frei…» Wir dürfen denken, was wir wollen. Aber tun wir das auch? Wie unabhängig DENKEN wir? In Zeiten von Filterblasen im Internet, neuen Formen, Methoden und Tools in Sachen «Brainhacking» oder dem sogenannten Technokapitalismus sind wir als Menschheit sicher aufgefordert diesem Thema Aufmerksamkeit zu geben, um unsere menschliche «Unabhängigkeit» zu bewahren. Oder müssen wir sie uns bereits zurückerobern?
Aber wir müssen gar nicht nur in die Zukunft schauen. Bleiben wir im «Gedankenraum» doch mal bei uns heute als Individuen: Wir sind als Mensch zu 90% des Tages unbewusst unterwegs. Die circa 60.000 Gedanken, die wir am Tag so denken, könnten wir gar nicht bewusst erleben. Wir würden ja wahnsinnig. ABER: Wir sollten Verantwortung für unsere GedankenMUSTER übernehmen.
Warum? Die berühmten Sätze aus dem Talmud machen dies deutlich, wie ich finde:
Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.
Es ist also wichtig, was wir denken und wir sollten uns dessen bewusst sein oder es uns bewusst machen.
Gedanken und Emotionen hängen dabei natürlich ursächlich sehr eng beieinander. Denn es findet auf eine Situation hin immer eine (oft unbewusste) Denk-Bewertung statt, gepaart mit Emotionen/Gefühlen (Angst, Freude, Ärger, Trauer, Liebe…). Also: Situation – Emotion & Denken – Handeln. Und dies geschieht rasend schnell – oft eben auch unbewusst. Und somit sind die Gedanken nicht ganz «frei», denn sie sind gekoppelt mit Emotionen & Gefühlen.
Wie wir denken, fühlen und handeln, lernen wir. Ja, wir sind soziale Wesen und lernen sehr früh in unserer Kindheit uns in das soziale Gefüge (erstmal Familie, dann Gruppe, Schule, später Beziehungen und Berufswelt) einzufügen und uns anzupassen. Somit beeinflusst unsere Sozialisierung unseren Denk-Bewertungsprozess.
Aber dies entbindet uns nicht als erwachsene Menschen die Verantwortung für unsere Gefühle & Gedanken zu übernehmen ggf. eine Neubewertung vorzunehmen. Hier fängt Selbstführung an.
Viktor Frankl schreibt: „Zwischen Stimulus, Reiz, und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum ist unsere Macht, unsere Reaktion zu wählen.
Diese Macht unserer Reaktion ist mächtig und sie macht uns verantwortlich. Hier können und dürfen wir uns nicht «wegducken».
Machen Sie einen kleinen Selbsttest. Was denken Sie zum Beispiel am ehesten zum Thema «Arbeit» (entlehnt dem Buch: «Haltung entscheidet» von Martin Parmantier)
- Arbeit ist ein notwendiges Übel.
- Nur wer arbeitet, hat Anspruch auf Glück und Anerkennung.
- Wer viel arbeitet, hat viel verdient.
- Die Arbeit zeigt, wer ich bin.
- Meine Arbeit soll zu meinen Werten und meinem Lebensstil passen.
- Mit meiner Arbeit bin ich Teil eines sinnvollen Wandlungsprozesses.
Ihr (unbewusst) gewählter Gedankenraum wird Ihre Worte, Handlungen und Schicksal bestimmen oder zumindest stark beeinflussen. Die Denkmuster wären durch die unterschiedliche Sozialisierung sicher von Leser/In zu Leser/In verschieden und die Worte, Taten auch.
Im Gedankenmuster liegt aber auch ganz viel Freiheit und das Potential zur Unabhängigkeit, wenn wir uns dessen bewusst sind und uns diese Freiheit nehmen. Wir leben heute hier in der Schweiz in einem Land, wo wir solche Denk-Haltungen – mögen sie auch noch so sozial erwünscht sein – kontextbezogen individuell anpassen dürfen und können. Ganz im Sinne der mentalen Agilität. Hier wird Verantwortung zum Gestaltungsraum. Denn wir könnten diesen Selbsttest jetzt auf alle möglichen anderen Themen weiterspinnen: Zukunft, Mann/Frau, Erziehung, Natur, die Andren etc.
Sind Ihre Gedankenräume zeitgemäss? Denken Sie, was Sie denken wollen? So oder so: Sie tragen Verantwortung.
In der Summe prägen unsere gemeinsamen Denk-Haltungen natürlich auch unser gemeinsames, kollektives Schicksal. Und hier ist das Thema der Unabhängigkeit des Denkens wieder brandaktuell.
Im Sinne des FEMALE SHIFTS sind wir aufgefordert «Veränderungen wahrzunehmen und Verantwortung zu übernehmen.» Christine Kloess schreibt in ihrem Buch «ICH BIN» den passenden Satz: «Je mehr wir wissen, desto mehr kommen wir in die Verantwortung».
«Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten. Sie fliegen vorbei, wie nächtliche Schatten, Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschiessen. Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei»
Sind wir so frei? Wir sind so frei! Stellen wir uns der Verantwortung!
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