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Gendermedizin – warum Frauen eine andere Medizin brauchen

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Vera Regitz-Zagrosek, Dr. med. Stefanie Schmid-Altringer

Frauen und Männer sind nicht gleich, aber sie sollten in der Medizin wie auch sonst in der Gesellschaft gleichberechtigt und gleich gut behandelt werden. Was sich so selbstverständlich anhört, ist noch längst nicht in der tagtäglichen Gesundheitsversorgung angekommen. Um Frauen und Männer gleich gut zu behandeln, muss man ihre Ungleichheit anerkennen und ganz konkret erforschen. Die moderne, junge Disziplin der Gendermedizin, die sich bei uns in Europa seit der Jahrtausendwende entwickelte, hat sich genau das zum Ziel gesetzt. Dieses Buch erläutert die Grundlagen und Anwendungen der Gendermedizin verständlich für Nicht-Mediziner*innen.

Die Medizin konzentriert sich auch heute noch auf scheinbar geschlechtslose „Patienten“. Dabei ist in den Lehrbüchern jedoch der Mann der Prototyp und das Maß aller Dinge. Aber: Frauen und Männer unterscheiden sich in ihrer Biologie grundlegend – jede Zelle, gleich ob Hirn-, Herz-, oder Leberzelle ist, wie wir heute wissen, bei Frauen und Männern unterschiedlich – und diese Unterschiede bestimmen oft den Verlauf von Erkrankungen. Dennoch ignoriert die medizinische Forschung den Unterschied zwischen den Geschlechtern weitgehend.

Der typische Studienteilnehmer in der Arzneimittelforschung ist ein Mann, und Tierversuche werden vor allem an jungen männlichen Versuchsmäusen vorgenommen. Für sie werden Medikamente entwickelt sowie deren Wirkungen, Nebenwirkungen und Sicherheit getestet. Tests an weiblichen Mäusen werden zu wenig gemacht, weil die Forscher befürchten, dass der Zyklus der Mäuseweibchen die Ergebnisse der Experimente beeinflussen könnte. Und in die klinischen Studien werden oft weniger Frauen eingeschlossen, da man Probleme bei möglichen Schwangerschaften fürchtet. Das Ergebnis sind dann Medikamente, deren Dosierungen nicht an Frauen, ihre Körper, an ihre Hormonsituation angepasst wurden.

Noch in den 1990er-Jahren wussten Ärzt*innen nicht, dass sich ein Herzinfarkt bei Frauen oft anders zeigt als bei Männern, wodurch oft wertvolle Zeit verschenkt wurde. Auch heute noch denken viele Frauen und Ärzt*innen bei Symptomen wie Luftnot und starker Übelkeit bei Frauen nicht an einen Herzinfarkt und Betroffene werden deshalb zu spät behandelt. Noch immer kommen Frauen mit Herzinfarkt später in die Notaufnahme als Männer, auch wenn der Unterschied geschrumpft ist.

Frauen kennen ihre Gesundheitsrisiken schlechter als Männer, nicht nur bei Herzerkrankungen, sondern in allen Bereichen: Lungen, Nieren, Muskel, Skelett, Stoffwechsel, Hirn und Gefäßerkrankungen, bei Depressionen und Stress. Sie wissen nicht, was gefährlich für sie ist, und was sie ihre Ärzt*innen fragen sollen, um ihre Erkrankungen und die Empfehlungen für Arzneimittel oder Operationen besser zu verstehen. Hier will dieses Buch helfen, indem es die Geschlechterunterschiede bei wichtigen Erkrankungen, ihre Grundlagen und die Folgen verständlich erläutert.

Gendermedizin kann Leben retten oder Gesundheit verbessern, wenn sie in der Praxis angewandt wird. Genau das will dieses Buch erreichen.

Es existiert als Hardbook aus 2020 und als Taschenbuch 2021 mit einem Update zu COVID

2020:
https://scorpio-verlag.de/Buecher/341/GendermedizinWarumFraueneineandereMedizinbrauchen.html

2021:
https://www.scorpio-verlag.de/Buecher/404/ScorpioPocketDieXXMedizin.html


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Gendermedizin seit anfangs Juni 2023 im NFP

gGendermedizin wurde anfangs Juni 2023 ins NFP aufgenommen. Das Nationale Forschungsprogramm «Gendermedizin und Gesundheit» (NFP 83) ist mit 11 Millionen Franken dotiert. Es schafft eine Wissensbasis für den Einbezug von Geschlechter- und Genderaspekten in die medizinische Forschung und die Gesundheitsversorgung. Das NFP will zu einem Kulturwandel beitragen und Standards erarbeiten. Zudem soll es Ausgangspunkt sein für eine langfristig ausgerichtete Forschung in der Gendermedizin. Das NFP untersucht unter geschlechter- und genderspezifischer Perspektive vier Schwerpunkte:

  • Gesundheitsversorgung und Prävention.
  • Medizinische Behandlungen und Therapien.
  • Wirkmechanismen in der Medizin und der öffentlichen Gesundheit.
  • Soziale und gesellschaftliche Auswirkungen.

Die Forschung in diesem NFP verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, bei dem Forschende aus unterschiedlichen Fachdisziplinen zusammenarbeiten. Themenübergreifende Kooperationen mit der Praxis sind für den Erfolg des Programms von entscheidender Bedeutung.

https://www.snf.ch/de/CNMpzb1YCYEpuA1j/news/neue-nationale-forschungsprogramme-zu-diesen-schwerpunkten-wird-geforscht


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