Fe-Male for Future

Eine unerwartete Entdeckung
21. Juli 1969: erstmals betreten Menschen den Mond. Wir alle kennen die Bilder. Wenige Monate zuvor – genau an Heiligabend 1968 – empfangen wir eine andere berühmte Aufnahme aus dem All. Ein Bild der aufgehenden Erde über dem Mondhorizont. Ein Bild, das uns Menschen die Erde aus einer völlig neuen Perspektive zeigt!

Aufgenommen wurde das Foto von einem Astronauten an Bord der Apollo 8. Das Foto entstand eher zufällig. Denn während die Apollo den Mond umkreiste, richtete der Kommandant die Spitze des Raumschiffes konsequent zur Mondoberfläche aus. Doch als das Raumschiff hinter dem Mond hervorkam, geriet die Erde plötzlich ins Blickfeld der Astronauten. Die drei Männer an Bord der Apollo 8 waren von dem unerwarteten Anblick völlig überwältigt.

Ihr Fokus war auf den Mond gerichtet, nicht auf die Erde. Im Nachhinein war jedoch die neue Perspektive auf die Erde der eigentliche Erkenntnisgewinn ihrer Reise. Denn sie sahen die ganze Schönheit und die ganze Fragilität des Planeten. Zumindest den Astronauten wurde klar, wie sehr wir als Menschen mit dem Feuer spielen, wenn wir diesen Planeten weiter so ausbeuten. Leider hat diese Erkenntnis nicht zu einem nachhaltigen Umdenken geführt. Waren zu viele Männer am Ruder?

Die männliche und die weibliche Perspektive
Den nach vorne gerichteten, in den Fokus nehmenden, ins Risiko gehenden Blick (hinauf zu den Sternen) schreiben wir eher Männern zu. Den ganzheitlichen, integrativen, schützenden Bick (Bewahrung der Schöpfung) eher Frauen. Dabei haben die männliche und die weibliche Perspektive nicht zwingend etwas mit dem Geschlecht zu tun. Das zeigt uns das Beispiel der Astronauten. Das Beispiel zeigt uns auch, dass wir beide Perspektiven brauchen: die männliche und die weibliche. Es braucht kein ENTWEDER/ODER, sondern ein SOWOHL/ALS AUCH.

Die Herausforderungen, die auf uns Menschen zukommen, lassen sich nicht (ausschließlich) mit dem männlich geprägten «Maschinendenken» bewältigen. Es reicht nicht mehr aus, an ein paar «Stellschrauben» zu drehen, damit die Dinge wieder in Ordnung kommen. Dieses männliche Denken war in den letzten 150 Jahren (seit spätestens Beginn der zweiten industriellen Revolution) das Erfolgsprinzip. Heute erkennen wir, dass es uns in eine Sackgasse geführt hat. Dennoch prägt das männliche Leistungsprizip nach wie vor das kollektive Bewusstsein und vor allem das Unbewusste.

Dabei spielt das Mindset von Frauen (Achtung pauschal!) – 50% von «Fe-Male» – eine nicht unerhebliche Rolle. Mehr oder weniger bewusst haben sich Frauen angepasst, haben mänliches Denken und Handeln kopiert oder sich ihm unterworfen. «No one can make you feel inferior without your consent « (Niemand kann dir ohne deine Zustimmung das Gefühl geben, minderwertig zu sein). Dieser Satz stammt von Eleonare Roosevelt, ist also auch schon mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Als Coach erlebe ich immer wieder, wie vielen Frauen er immer noch zugerufen werden muss.

Das Narrativ neu schreiben
Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen, sowohl biologische wie kulturelle. Kein Mann wird je wissen, wie es sich anfühlt als Frau zu leben und keine Frau je wie ein Mann. Also gibt es unterschiedliche Perspektiven. Und das ist gut so.

Aber es gibt auch den berühmten Satz von Simone der Beauvoir: «Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es». Und sie meinte damit die kulturelle Prägung, den «imprint», unser Narrativ über Frauen und Männer. Es fängt bei rosa oder blauen Kinderkleidung an, geht bei Babypuppe und Feuerwehrauto weiter und mündet in «typisch weiblichen» und «typisch männlichen» Rollenbildern in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft.

Diese kulturellen Muster gilt es zu durchbrechen. Wir sollten aufhören, uns zu erzählen, das eine sei besser als das andere oder wichtiger, oder erfolgreicher, oder Täter oder Opfer oder oder oder… Das ist nicht immer leicht, denn unser Narrativ ist uns – wie gesagt – oft gar nicht bewusst.

Warum jetzt?
Wir können es uns jedoch nicht länger leisten, 50 Prozent unseres Potentials brach liegen zu lassen. Für die Gestaltung der Zukunft brauchen wir Männer, die sich erlauben, männliche und weibliche Perspektiven gleichwertig ins Spiel zu bringen. Männer, die offen sind für neue Rahmenbedingungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Zugleich brauchen wir Frauen, die sich über ihre oft patriarchalisch dominierten kulturellen Prägungen bewusst werden und beginnen, weibliches Denken, Emotionen und Empathie mit ins Spiel zu bringen.

Denn die Zeiten sind in mehrfacher Hinsicht herausfordernd. Joel Luc Cachelin beschreibt in seinem neuen Buch (Einhornkapitalismus, 2019) fünf Verschiebungen, die die Transformation des Planete kennzeichnen und hervorbringen werden:

  1. Daten als neue Währung
  2. Gesellschaft der Hundertjährigen
  3. Wandel des Klimas
  4. Planet der 11 Milliarden
  5. Re-Definition des menschlichen Wesens durch Fortschritte in Informatik, Gen- und Biotechnologie.

«All hands on deck» kann man da nur sagen. Wir brauchen Männer und Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, die das männliche und weibliche Leistungs- und Gestaltungsprinzip integrativ verbinden. Es ist an der Zeit, das weibliche Leistungsprinzip endlich «auf Augenhöhe» zu positionieren: das intuitive, ganzheitliche, hoch kommunikative, schöpferisch-kreative und nicht zuletzt auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Denken und Handeln.

Was tun?
Wir benötigen für den Wandel zweierlei

  1. Ein neues Mindset, Erkennen und Auflösen von «uncounscious bias»
  2. Rollenmodelle, die ein neues Narrativ ermöglichen.

«Fe-Male for future» sieht hier drei Handlungsfelder:

  • das Individuum: ein «Fe-Male» Mindset bei Männern und Frauen entwickeln und das bisher unterrepräsentierte weichliche Potential stärken.
  • Leadership: «Fe-Male» Leaderships in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft erarbeiten und umsetzen.
  • Organisation – eine neue gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Ausrichtung in Gesetzen, Prozessen sowie Rahmenbedingungen, die das Leben und Arbeiten auf echter Augenhöhe zulässt und einfordert.

Mit dem Mindset des Individuums von Frauen und Männern fängt alles an und hört alles auf, da sie es sind, die Leadership und Rahmenbedingungen gestalten.

Fe-Male Vorbilder
Die Philosophin Svenja Flasspöhler hat ihn in ihrem kürzlich erschienenen Buch «Die potente Frau» geschrieben: «Hören wir also auf, die männliche Macht zu stützen, indem wir uns schwächer machen, als wir sind. Fangen wir an, das Mögliche im Wirklichen zu realisieren. Und zwar genau jetzt.»

Glücklicherweise sind wir schon mittendrin im SHIFT und in dem Erschaffen neuer Wirklichkeiten. Die «soziale Bewegung» ist spürbar:

  • Die «Fridays for Future» Bewegung ist mehrheitlich weiblich (Greta Thunberg, Lisa Neubauer, Anuna de Wever und andere). Knapp 60 Prozent der Demonstranten sind weiblich und setzen sich für ganzheitliches Denken und Handeln im Umgang mit der Natur ein.
  • «Maria 2.0» ist eine Initiative von Frauen der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. Ihr Ziel: die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Kirche. Der Name der Initiative wird damit begründet, dass „Maria 1.0“ für Maria als Idealbild der schweigenden und dienenden Frau stehe, „Maria 2.0» für Neuanfang und Gleichwertigkeit.
  • Schweizer Bundesrat mit einer Doppelwahl an weiblichen Bundesrätinnen Anfang 2019. Und jetzt wird auch der Nationalrat der Schweiz weiblicher. Über 40 Prozent (vorher 32 Prozent) sind jetzt weiblich besetzt
  • Erste Frau als Chefin der EZB – Christine Lagarde. Sie war schon die erste IWF Chefin, jetzt ist sie die erste EZB Chefin in einer Zeit, in der vieles von der Geldpolitik der EZB anhängt. Bleibt sie beim Kurs von Draghi? Wir werden sehen. Was schon jetzt klar ist: Sie lebt einen neunen weiblichen Führungs- und Kommunikationsstil.
  • Erste Frau der Europäischen Kommission – Ursula von der Leyen. Sie hat es zwar durch die Nachnominierungen nicht ganz geschafft, den usprünglichen Plan die Hälfte der Kommission mit Frauen zu besetzen, aber ich bin gespannt welche neuen Akzente sie setzen wird.
  • Erste Frau in Deutschland in CEO Doppelspitze eines DAX Konzerns – Jennifer Morgan (SAP). SAP hat mit einem Mann und einer Frau an der Spitze die Idee von «Fe-Male» idealtypisch umgesetzt. Die Aktie sprang bei Bekanntgabe der Neubesetzung übrigens um 8 Prozent nach oben.
  • Erste Frau als Verwaltungsratspräsidentin bei Egon Zehnder – Jill Alder, die Wahl von ihr als neue Präsidentin gilt als «Zeitenwende» (siehe Handelsblatt). Sie ist nicht nur die erste Frau in dieser Position, sondern auch die erste, die mit der Tradition bricht, dass die Stelle stets mit dem vorherigen CEO besetzt wird.
  • Eine weitere Frau als Staatenlenkerin in Dänemark: Mette Frederiksen, die zweite weibliche Staatslenkerin in Dänemark, und die jüngste «ever» in ihrem Land.

Und abschließend hier auch noch ein männliches Vorbild:

  • Männlicher CEO des deutschen Vermögensverwalters Allianz Global Investors hat seinen Job gekündigt, damit seine Frau ihr eigenes Unternehmen weiter aufbauen kann. – Andreas Utermann. Man kann zwar sagen, dass hier nur ein Swap stattfindet und es nicht um neue Modelle geht. Aber ein sehr erfolgreicher Top Manager bricht zumindest mit traditionellen Rollenbildern und erlaubt neue Narrative.

Aus all diesen Beispielen ergeben sich neue Narrative. Diese werden das kulturelle Bewusstsein prägen und mit der Zeit auch ins Unbewusste vordringen und zur Normalität werden. Wichtig ist, diese Geschichten jetzt in ausgeprochen schnell neu zu schreiben, denn Fe-Male for Future ist wörtlich gemeint. Es geht um die Zukunft!

Fe-Male beyond our planet
Zurück zum Mond und der Raumfahrt: Die NASA will 2024 zum ersten Mal einer Frau die Möglichkeit bieten, den Mond zu betreten (bislang sind es erst 63 Frauen und bereits 569 Männer, die jemals im All waren). Auch die erste deutsche Astronautin – Suzanna Randell – steht in den Startlöchern für die Expeditions ins All. Fe-Male for Future auch dort!

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