Wirtschaften ohne Ressourcenabbau – geht das?
Ein Beitrag von Silke Humbert, Expertin für Investment Strategy & Economic Research bei der Zürcher Kantonalbank
„Was nichts kostet, ist nichts wert“, ist ein weithin bekannter Spruch, der auch auf unsere Umwelt zuzutreffen scheint. Da es nichts kostet, sie zu nutzen, wird sie übernutzt. Deutlich zu sehen ist das am Konzept der planetaren Grenzen[1] von Johan Rockström und Kollegen des Stockholm Resilience Centre. Es definiert für neun globale Umweltprozesse Schwellenwerte, die eingehalten werden sollten, um die aktuell guten Bedingungen auf der Erde aufrechtzuerhalten. Klimawandel und Biodiversität sind die bekanntesten zwei dieser Prozesse, weitere Prozesse sind zum Beispiel das Entstehen und die Verbreitung neuer Substanzen oder der Stoffkreislauf von Stickstoff und Phosphor. Fazit dieser Analyse ist, dass mittlerweile sechs von neun Schwellenwerten überschritten ist. Laut den Forschern ist damit die Wahrscheinlichkeit, dass wichtige Umweltprozesse sich dauerhaft zu Ungunsten der Menschheit verändern, stark erhöht.
„Was niemandem gehört, wird übernutzt“, wäre die Adaption des eingangs erwähnten Spruchs aus der Logik der Wirtschaftswissenschaften. Das auch als Tragik der Allmende bekannte Phänomen gilt als Erklärung für den Ressourcenabbau in der Umwelt. Das Standardgegenmittel ist das Herstellen von Eigentumsrechten. Aber wem sollte das Klima gehören? Und wie will man zum Beispiel den Ozean aufteilen? Etwa so wie im 15. Jahrhundert, als Spanien und Portugal den Ozean unter sich aufteilen wollten? Für die Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom war klar, dass auch eine gemeinschaftliche Nutzung bei öffentlichen Ressourcen möglich ist. Allerdings hat sie auch gezeigt, dass eine Überprüfung und allenfalls Sanktionen bei einer Regelverletzung für den Erfolg einer gemeinschaftlichen Nutzung notwendig sind. Aber wer soll für das Aussterben einer Art verantwortlich gemacht haben und wer legt die Strafe dafür fest? Noch bis zu ihrem Tod hat sich Elinor Ostrom dafür ausgesprochen, dass auch so komplexe globale Probleme wie der Klimawandel eher mit einem Bottom-up-Ansatz zu lösen sind, also auf lokaler Ebene, wie zum Beispiel auf der Ebene von Gemeinden.
Da die roten Warnlampen immer zahlreicher werden, ist es wichtig, alle Akteure an zu Bord haben. In langwierigen Gesprächen auf globaler Ebene müssen Fragen der sozialen Gerechtigkeit geklärt werden. Wir brauchen neue Technologien. Und Staaten und Unternehmen, die diese Technologien fördern. Einen transparenten Finanzplatz. Und engagierte Bürger.
Werden wir unseren Lebensstandard verringern müssen, um komplexe Umweltsysteme nicht zu schädigen? Nicht zwangsläufig. Ermutigende Entwicklungen sind vorhanden: Dank neuer Technologien sinken schon jetzt in vielen Ländern die Treibhausgasemissionen pro Kopf, während deren Wirtschaft weiterwächst.
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Hier sind Artikel über Themen, die ich im Vortrag angesprochen habe, die noch etwas mehr Hintergrund liefern:
- Über den europäischen Emissionshandel:
- Über staatliche Emissions-Handelssysteme und den Carbon Border Adjustment Mechanism:
Emissionshandelssystem: Erdoğan für Klimaschutz gewinnen
- Über den Zustand der Meere:
Ozean als Lebensraum für viele Arten ist vom industriellen Fischfang bedroht
- Welche Staaten sind die Verursacher des Klimawandels (mit Video):
China als ultimativer Umweltsünder?
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